Liebe und Hass – Schultheater in Lauf
Lauf a.d. Pegnitz „Bühne frei“ hieß es Anfang April für das ueTheater aus Regensburg. In insgesamt vier Aufführungen wurde über 400 Schülerinnen und Schülern des Beruflichen Schulzentrums Nürnberger Land und der Oskar-Sembach-Realschule das preisgekrönte Stück „Elly und Ingo“ nähergebracht.
Pau. Pau. Pau. Eine Frau wird von wütenden Faustschlägen niedergestreckt. Dem Mann steht der Schaum vorm Mund, seine Gesichtszüge von Hass entstellt. Sie geht zu Boden, er setzt mit Tritten nach. Schwarze Springerstiefel treffen sie in den Unterleib und wieder und wieder gegen den Kopf. Bis sie sich schließlich nicht mehr rührt. Der Täter brüllt, skandiert und bricht schließlich selbst heulend neben seinem Opfer zusammen. Das Stück endet mit einem Exzess der Gewalt.
Die Frau ist eine Figur der Regensburger Zeitgeschichte, Elly Maldaque. Der Mann, schlicht Ingo, eine Figur basierend auf gleich mehreren Biographien rechter Gewalttäter.
Beide Figuren stehen im Zentrum des gleichnamigen Stücks des Regensburger Theatermachers Kurt Raster und des ueTheaters, das beide Biographien an diesem Tag kontrastreich nebeneinander stellt. Immer angetrieben von den beiden Fragen: Welche Spuren hinterlässt die Erfahrung von Gewalt bei dem Opfer? Und werden aus Opfern zwangsläufig immer gebrochene Täter?
Elly und Ingo, so erfährt man, werden beide bereits in früher Kindheit mit Gewalt im Elternhaus und in der Schule konfrontiert. Während Ingo danach selbst den Weg des rassistisch geprägten Gewalttäters einschlägt, entscheidet sich Elly bewusst gegen diesen. In ihrem Beruf als Volksschullehrerin lebt sie das liebevolle Miteinander und den Wert der Menschenrechte. Damit zieht sie zunächst den Unmut der Vorgesetzten, später dann die Aufmerksamkeit der NS-Schergen auf sich und wird schließlich zu einem der ersten Regensburger Opfer des Regimes.
Anstatt nun aber holzschnittartig die Geschichte vom stumpfen Nazi auf der einen Seite und der entrückten Kämpferin für die Nächstenliebe auf der anderen zu erzählen, setzt das Stück immer wieder auf bewusste Brechungen. Beide Figuren haben Raum für Entwicklungen, für Zweifel und Krisen, aber auch den Rausch danach. Und auch die Darsteller, Christine Elsa Wagner und Julian Kühndel, treten immer wieder aus ihren Rollen heraus und diskutieren das Gesehene und Geschehene. Hier merkt man den Machern an, dass Sie in der Vergangenheit reichlich Aufführungspraxis an Bildungseinrichtungen sammeln konnten und den allzu deutlich erhobenen moralischen Zeigefinger bewusst zu vermeiden suchen.
Ähnlich ambivalent verhält es sich mit dem der Schlussteil. Die moralisch integre Heldin kommt auf grauenhafte Weise zu Tode. Der überlebende Täter kann oder muss in die Alltagshölle seines Daseins zurückkehren. Entsprechend groß gestaltete sich der Diskussionsbedarf der anwesenden Schülerinnen und Schüler.
Die Moderation übernehmen die beiden Darsteller und so werden zum Teil große Fragen diskutiert. Welche Form etwa eine deutsche Erinnerungskultur haben sollte. Es werden Bezüge zum aktuellen Zeitgeschehen hergestellt, wie beispielsweise die Verächtlichmachung des Engagements von Gutmenschen, und zum Teil sehr bewegende und persönliche Appelle an Mitschüler gerichtet. Mehr kann Theater nicht leisten.
von F.-B. Brandl